Aufgrund eines Generationenwechsels in der Chefetage öffnet sich nun auch der gehobene Mittelstand für die Cloud, sagt Marcus Bengsch, Head of Managed Services bei dem Service Provider ahd hellweg data. Im Interview mit Casestudies360 erläutert der Cloud-Experte, warum das einen Wandel für die interne IT bedeutet und warum die hybride Cloud noch keine Option ist.
Casestudies360: Herr Bengsch, wie nehmen Sie den Cloud-Markt im Mittelstand momentan wahr?
Marcus Bengsch: Wir entwickeln seit 2008 Cloud-Services. Bis vor zwei Jahren wollten nur wenige Unternehmen im gehobenen Mittelstand davon wissen. Doch seit zwei Jahren kommen die Chefs selbst auf uns zu: Es gibt jetzt viele jüngere CEOs, die sehen IT als modernes Werkzeug, das überall verfügbar sein muss. Manche sagen sogar schon: Wozu brauche ich Büroarbeitsplätze? Wir bringen die IT zu den Mitarbeitern.
So einen Wandel muss die interne IT-Abteilung aber erst einmal mitgehen können.
Die interne IT kann das oft gar nicht liefern. Viele Unternehmen spüren schon den Fachkräftemangel. Bald werden sie nicht mehr genug IT-Kräfte haben, um den Betrieb aufrecht zu erhalten und gleichzeitig Applikationen zu entwickeln, die wettbewerbsfähig sind und das Business voranbringen.
Das verschärft sich noch, weil Fachkräfte für die Cloud ganz andere Voraussetzungen benötigen und noch gar nicht dafür ausgebildet sind. Beim klassischen Fachinformatiker in der IHK-Ausbildung etwa sind solche Themen nicht enthalten, weil viele Unternehmen das gar nicht ausbilden können.
Cloud-Lösungen ermöglichen neue Strategie
Und da soll der Gang in die Cloud Abhilfe schaffen? Damit holt sich die IT die Konkurrenz ins Haus.
Es geht den meisten Unternehmen gar nicht darum, die IT zu entlassen, sondern zu entlasten. Haupttreiber ist der Wunsch, den Fokus der IT auf andere Aufgaben zu legen. Installation, Überwachung, Backup von Servern – all das fällt durch die Cloud weg. Dann gibt es die SLAs des Anbieters und alles ist geregelt. Das verschafft Freiräume. Viele wollen eine neue Strategie gehen und beispielsweise Controlling oder BI einführen. Das können sie nun verwirklichen: Entweder weil die IT-Mitarbeiter sich nun damit beschäftigen oder durch Lösungen aus der Cloud.
Aber sind solche Lösungen so einfach zu nutzen wie es die Anbieter darstellen?
Natürlich ist es zu kurz gedacht, einfach eine virtuelle Maschine zu buchen und eine Applikation darauf zu starten. Auf Dauer geht es um eine Architektur für einen skalierbaren und ausfahlsicheren Betrieb einer IT-Infrastruktur. Dazu gehören Programmierkenntnisse und das Verständnis des Cloud-Konzepts.
Sind ihre Kunden schon so weit?
Viele sind auf dem Weg. Die meisten müssen nach der Einführung erst einmal ihre Vorteile erleben. Wenn sie als Unternehmer 20, 30 Jahre lang Geld ausgegeben haben für neue Server und Mitarbeiter in der IT und machen plötzlich eine 180-Grad-Wendung, dann brauchen sie eine Bestätigung, dass diese Entscheidung richtig war. Das dauert, in diesem Prozess sind wir gerade.
Die hybride Cloud glänzt nur in der Werbung
Welche Rolle spielt dabei der Ansatz der hybriden Cloud?
Das ist aus meiner Sicht noch nicht das Thema. Die Hersteller fangen an, das zu forcieren, weil die schon einen Schritt weiter sind. Aber eine Public Cloud zu nutzen als Teil einer großen hybriden Cloud, das liegt den meisten noch fern.
Das nächste naheliegende Szenario sieht eher so aus: Viele bauen gerade ihr Rechenzentrum als private Cloud auf und mieten eine eigene Cloud bei einem Provider, eine sogenannte Hosted Private Cloud. Damit schieben sie Ressourcen zwischen diesen beiden Clouds hin und her. Das können sich viele mittelständische Unternehmen gut vorstellen.
Persönliche Verbindung schafft Vertrauen in die Cloud
Warum sollten Unternehmen eine Cloud-Lösung bei einem Service-Provider wählen – und nicht gleich bei einem großen Player?
Das ist klar zu beantworten: Der Mittelstand braucht Vertrauen. Er möchte seinem Partner in die Augen schauen. Und das nicht nur bei Vertragsabschluss, sondern auch, wenn es schlecht läuft. Die Chefs sprechen mit meinem Chef davon, dass die Geschäfte auf Augenhöhe und von Unternehmer zu Unternehmer gemacht werden – und dass sie sich darauf verlassen, dass ihre Daten hier sicher sind.
Selbst wenn die Angebote der großen Cloud-Provider deutlich günstiger sind?
Die großen Anbieter werben immer mit einer minutengenauen Abrechnung der CPU. Das will der Mittelstand gar nicht. Der will ein Vertrauensverhältnis und will die Mehrwerte verstehen. Der zahlt sowieso monatlich, weil die Verträge im Schnitt über drei bis fünf Jahre laufen.
Die Zukunft gehört Cloud-Kaufhäusern
Wie sieht die Zukunft der Cloud aus?
In Zukunft wird es unterschiedliche Cloud-Versionen geben. Mit unterschiedlichen Sicherheitsstufen und unterschiedlichen Dienstleistungen. Sie werden eine Cloud haben, in der sie nur Daten speichern, weil die darauf spezialisiert ist. Exchange nehmen sie dann von dem Anbieter, SharePoint von einem anderen, weil der die besten Programmierer hat. Dann kaufen sie sich noch drei, vier Applikationen ein, die laden sie sich herunter und dann brauchen sie noch Security – fertig.
Wer macht dann das große Geschäft?
Die großen Distributoren oder Cloud-Marktplätze etwa der Deutsche Börse oder von Equinix. Sie alle suchen Wege, um ein Kaufhaus für Cloud-Lösungen zu erschaffen. Da finden Unternehmer dann auch ihre ERP- und CRM-Systeme und ihren mobilen Arbeitsplatz. Man geht also nicht mehr zu einem Anbieter und macht dort alles.