Fünf Irrtümer bei Cloud-Projekten. Oder: Warum die Cloud massives Umdenken in Unternehmen erzwingt – vor allem in der IT

Um den vollen Nutzen aus der Cloud zu ziehen, sind ausgereifte Prozesse erforderlich. Und da mangelt es oft in mittelständischen Unternehmen. Sagt Marcus Bengsch, Head of Managed Services bei dem Service Provider ahd hellweg data. Im Interview mit Casestudies360 erläutert der Cloud-Experte, warum die Cloud eine Führungsaufgabe ist und Cloud Provider oft auch Change Manager sein müssen.

1. Irrtum: Cloud-Projekte sind schnell umgesetzt

Casestudies360: Herr Bengsch, wie lange dauert ihrer Erfahrung nach die Einführung einer Cloud-Lösung bei einem mittelständischen Unternehmen?

Das kann inklusive Vertragsunterzeichnung zwischen einem halben und einem Jahr dauern. Denn heute sind bei IT-Projekten mehrere Abteilungen beteiligt, die sie ins Boot holen müssen. Das ist selbst im gehobenen Mittelstand mit 250 bis 800 Mitarbeitern der Fall. Früher hat der IT-Leiter eine Bedarfsanalyse geschrieben, das Budget wurde erteilt und die IT-Abteilung durfte sich den Anbieter aussuchen und dann wurde installiert.

Bei einem Cloud-Projekt muss sich die IT strategisch komplett anders darstellen. Das beginnt bei der Datensicherheit und reicht bis zur Frage, was die Cloud grundsätzlich kostet und was man wirklich dadurch spart. Immer mehr Kunden fordern eine ganzheitliche TCO-Betrachtung bezogen auf das Unternehmen, das macht die Einführung langwierig und komplexer.

Marcus Bengsch verantwortet bei ahd den Bereich Managed Services und leitet ein Team von 25 Mitarbeitern.
Marcus Bengsch verantwortet bei ahd den Bereich Managed Services und leitet ein Team von 25 Mitarbeitern.

2. Irrtum: Mit der Cloud sparen Unternehmen am IT-Team

Viele wollen dabei auch die Personalkosten reduzieren, oder?

Meist geht es nicht darum, Personal zu entlassen, sondern zu entlasten. Daher schließt unsere TCO-Betrachtung ein, welche Mehrwerte man erzielt, wenn man das IT-Personal anders einsetzt. Etwa um Applikationen auf das Unternehmen zuzuschneiden und anders zu verwalten. Vielleicht lässt es sich damit besser produzieren oder Kunden lassen sich gezielter ansprechen.

Das bietet dem klassischen Admin die Möglichkeit, mal etwas anderes zu tun, als Programme zu überwachen.

Richtig. Aber das dürfte einige vor Probleme stellen, weil Administratoren in der Vergangenheit nicht gewohnt waren, in Prozessen zu denken.

3. Irrtum: Nach der Cloud-Einführung arbeitet die IT an anderen Themen – aber im gleichen Stil wie bisher

Wieso sind Prozesse so wichtig?

Unternehmen funktionieren halt nur mit Prozessen. Geben sie Teile ihrer IT in die Cloud, benötigen sie auch Prozesse dazu. Viele müssen also ihren IT-Mitarbeitern erst einmal Prozessdenken beibringen. Das ist bei Unternehmen mit mehr als 2000 Mitarbeitern schon klar, weil das von der Struktur her erforderlich ist. Die haben ITIL schon in ihre Abteilungen integriert.

Und hat ein Admin das Prozessdenken adaptiert und verstanden, ist es für Unternehmen leichter, ihm klarzumachen, warum es in die Cloud gehen will.

4. Irrtum: Die IT treibt die Cloud-Einführung voran

Eine interessante Situation: Die CEOs müssen der IT erklären, warum das Unternehmen in die Cloud gehen will? Das würde man doch andersrum erwarten.

Neuerdings nehmen die Unternehmenschefs das in die Hand. Da spielt wohl ein Generationswechsel eine Rolle: Es gibt jetzt viele jüngere CEOs im Mittelstand, die sehen IT als modernes Werkzeug, das überall verfügbar sein muss und die nutzen das auch selbst unterwegs. Dabei haben im gehobenen Mittelstand vielleicht ein, zwei Leute in der Führungsebene Verständnis für ITIL. Das reicht aber selten bis zu den Administratoren, die die tägliche Arbeit tun.

Der Service Provider ahd hat auf Basis des Microsoft Cloud OS und FlexPod eine IaaS-Plattform gebaut, die Azure-kompatibel ist und es somit ermöglicht, leistungsfähige Hybrid-Cloud-Infrastrukturen zu bauen.
Der Service Provider ahd hat auf Basis des Microsoft Cloud OS und FlexPod eine IaaS-Plattform gebaut, die Azure-kompatibel ist und es somit ermöglicht, leistungsfähige Hybrid-Cloud-Infrastrukturen zu bauen.

Die Administratoren müssten doch froh sein, Exchange etwa ist nicht das spannendste, was man als IT-Fachkraft machen kann …

Sie müssen überlegen, sie sind Administrator und haben vor zehn Jahren als Exchange-Spezialist angefangen und seitdem nur Exchange gemacht. Sie kennen sich perfekt aus, sind Ansprechpartner und haben hohes Ansehen. Und das alles fällt jetzt weg. Und haben sie dann dieses Prozessverständnis nicht, haben sie ein Thema.

Was müssen die Unternehmen tun?

Man muss die IT-Mitarbeiter früh über die strategischen Änderungen informieren. Und sie so einbinden, dass sie keine Angst um ihren Job haben und das als Chance sehen. Für ihren Arbeitsplatz, für ihre persönliche Entwicklung und auch als Chance für das Unternehmen.

5. Irrtum: Ein Cloud-Provider liefert nur IT.

Wie gehen Sie damit um? Sie sind ja derjenige, der die unbeliebte Cloud ins Haus bringt.

Das ist ein klassischer Change und da ist die Kommunikation entscheidend. Wir versuchen zunächst, mit den Admins ins Gespräch zu kommen. Eine unserer Möglichkeiten ist, sie einzuladen, die Mitarbeiter des Service Desk persönlich kennen zu lernen und diese als Verlängerung ihres eigenen Teams zu sehen. Dann fragen wir sie nach ihrer Meinung, wie wir mit der Cloud-Lösung umgehen sollen. Wir sehen das als Partnerschaft und wollen ihnen die Wertigkeit geben. Das löst viele Probleme. Der ein oder andere bleibt skeptisch, das ist normal.

Gehen ihre Kunden diesen Weg mit?

Bei manchen Kunden kommunizieren wir nur über das Management. Die Administratoren dürfen nichts vom Cloud-Projekt erfahren, weil sie sich dagegen wehren. Aber ich kann aus eigener Erfahrung berichten: Wenn sie die Administratoren nicht mitnehmen, gerät die Cloud-Einführung ins Stocken. Das ist für uns klar: Geht ein Kunden aus dem unteren Mittelstand in die Cloud, bedeutet das meist eine Transition.